Kirsten Paarmann erinnert sich noch gut an jene Tage vor 30 Jahren. Hunderte Menschen auf den Straßen ihrer kleinen Heimatstadt, „Menschen im Freudentaumel, feiernd, lachend, oft vor Glück weinend, versunken in einem Meer aus Schwarz-Rot-Gold“. Doch die Tage der Euphorie wichen auch bald jäher Ernüchterung, schreibt unser Kreistagsmitglied und zieht Bilanz…

Am 9. November 1989 fiel die Mauer, friedlich erzwungen von den ostdeutschen Mutbürgern und dem Druck der Straße. Den damals Verantwortlichen fehlte der Mut, jenen Schicksalstag deutscher Geschichte zum neuen Nationalfeiertag zu erklären. Auch der Zeitpunkt für eine Volksabstimmung über eine gemeinsame Verfassung im Zuge der Wiedervereinigung hätte günstiger nicht sein können, zumal es das Zusammengehörigkeitsgefühl und die gesamtdeutsche Identität von Anfang an gefördert hätte. Die deutsche Bundesregierung aber zeigte daran ebenfalls wenig Interesse.

Die Tage der Euphorie wichen schnell jäher Ernüchterung. Innerhalb kürzester Zeit wurden auf dem Gebiet der ehemaligen DDR ganze Industriezweige demontiert. Die Treuhand hatte die Aufgabe, über 8.000 Betriebe zu privatisieren oder stillzulegen. Es folgte ein Ausverkauf des ostdeutschen Volksvermögens und Massenarbeitslosigkeit ungeahnten Ausmaßes. Die ostdeutsche Konkurrenz wurde an die meist westdeutschen „Investoren“ verramscht. Gefragt waren ausschließlich Konsumenten, 17 Millionen „ausgehungerte“ DDR-Bürger, ein Segen für die sich in der Rezession befindende West-Wirtschaft.

Während die Arbeitsbiografien im Osten oftmals für Jahre unterbrochen, Universitäts- und Berufsabschlüsse nicht anerkannt wurden und selbst das ostdeutsche Abitur zur Diskussion stand, importierte man Beamte und Führungspersonal aus dem Westen.

Und trotzdem: Ziel der friedlichen Revolution waren mitnichten das West-Auto, die Levis-Jeans oder eine Staude Bananen. Es ging um Freiheit, um die Freiheit jedes Einzelnen und die Freiheit des Wortes. Nach 40 Jahren SED-Diktatur wussten die Ostdeutschen trotz aller schmerzlichen Erfahrungen während Einigungsprozesses diese wertvolle Errungenschaft zu schätzen und zu hüten.

Bis zu jener Zäsur im Jahre 2015: Merkel setzte sich über jede Rechtsstaatlichkeit hinweg und öffnete mit einem Handstreich die Grenzen für Millionen Zuwanderer aus aller Herren Länder. Insbesondere in Ostdeutschland rieb man sich fassungslos die Augen, zumal dieser Rechtsbruch mit der Forderung verbunden war, die neue Lebenswirklichkeit von heute auf morgen als „normal“ hinzunehmen. Nachdem man zuvor mit der Agenda 2010 in Deutschland den größten Niedriglohnsektor Europas schaffte, die doppelte Staatsbürgerschaft für Usus erklärte, die Wehrpflicht abschaffte und das Herschenken der D-Mark auf dem EU-Opfer-Altar als „alternativlos“ dargestellt wurde, ging man jetzt noch einen Schritt weiter.

Im Osten besann man sich schnell auf die erst kürzlich wiedererlangte Freiheit und darauf, was Widerstand bewirken kann. Doch die Hypermoral im neuen Linksstaat wich dem gesunden Menschenverstand und machte jede Art der politischen Diskussion unmöglich, bis heute. Und so war der Weg des ostdeutschen Widerständlers zum „Nazi“ und „Rechtsradikalen“ kurz, befeuert von den Medien und jenen, in deren Verantwortung es eigentlich liegt, das Volk zu einen und zusammenzuhalten: „Es gibt ein helles Deutschland, das sich leuchtend darstellt gegenüber dem Dunkeldeutschland“ (Gauck, damals Bundespräsident); „Das ist wirklich Pack und Mob, und was man da machen muss, man muss sie einsperren.“ (Gabriel, damals Bundeswirtschaftsminister und Vizekanzler); „Das Einheits-Gold wird braun“ (Kolumne von Heribert Prantl, Süddeutsche); „Wenn ein Kind in Sachsen das Haus vom Nikolaus malt, wird daraus ein Hakenkreuz“ (Jakob Augstein bei Augstein und Bloome)…

Es liegt nicht nur an den noch immer nicht angeglichenen Löhnen und Renten in Ost und West, es sind genau solche Äußerungen, die die Mauern in den Köpfen der Deutschen nicht vollends einreißen lassen. Gleichwohl schaffte diese Art der Auseinandersetzung ein neues Selbstbewusstsein im Osten!

Nein, wir fühlen uns nicht als „Abgehängte“ oder „Menschen zweiter Klasse“! Hört endlich auf, uns das zu unterstellen! Vielmehr wissen wir die Anzeichen einzuordnen: Wenn demokratische Wahlen rückgängig gemacht werden, weil das Ergebnis nicht passt; wenn kritische Stimmen plötzlich nicht mehr öffentlich auftreten dürfen; wenn Demonstrationen verboten werden sollen, weil das Thema nicht genehm ist; wenn man von Enteignungen spricht oder davon, das eine Prozent der Reichen erschießen zu lassen, ohne dass solche Äußerungen einen öffentlichen Aufschrei verursachen; wenn sich die Stasi-Vergangenheit plötzlich wieder gut im Lebenslauf macht und solche Leute beim Staat in Lohn und Brot kommen. Es sind die Erfahrungen der Geschichte, die uns mancherlei Dinge klarer sehen lassen.

Für uns ist das geeinte Vaterland alternativlos. Ost und West gehören zusammen, ohne Wenn und Aber! In weiten Teilen haben wir die innerdeutsche Teilung längst überwunden, in vielerlei Kooperationen auf allen Ebenen zwischen den alten und neuen Bundesländern, in Familienbanden und Freundschaften, die neu entstanden, die Arbeitsbiografien, die sich hüben wie drüben abspielen. Lasst uns diesen Weg fortsetzen! Ein bisschen mehr Toleranz und Verständnis dafür, dass die Geschichte uns 40 Jahre lang unterschiedliche Lebenswege und die damit einhergehenden Erfahrungen bescherte; etwas weniger Geschichtsvergessenheit und die Erinnerung daran, dass die Einheit Deutschlands von unseren Vorvätern hart erkämpft wurde und welche großartigen Errungenschaften diese Nation im Laufe ihrer Geschichte hervorgebracht hat.